Peter Rohland wurde am 22. Februar 1933 in Berlin geboren, verlebte die längste Zeit seiner Kindheit bis zum Kriegsende in Schlesien und kam nach dem Kriege nach Göppingen, wo er am Hohenstaufen-Gymnasium sein Abitur ablegte. Früh geriet er in die „Schwäbische Jungenschaft“, in das Fahrtenleben der jugendbewegten Gruppen und Horten und auf die Burg Waldeck (Hunsrück), wo er eine Verwandtschaft mit dem frei schweifenden Leben der frühen Nerother spürte, die sich auf dem Burggelände trafen. Nach dem Abitur trampte er mit seinem Freund Fred Kottek bis in den Vorderen Orient, eine wilde Reise, die ein Dreivierteljahr dauerte. Er sollte Jura studieren, folgte aber nach wenigen Semestern der gleichen Leidenschaft wie sein Vater, nämlich der Musik. Seine Mutter schrieb dazu: „Welche Umkehrung das Leben manchmal bringt: sein Vater studierte Musik (Oper in Italien) und Jura, mußte aber trotz seiner starken großen stimmlichen Gabe und seines bohèmehaften Einschlags doch bei der Juristerei bleiben, sein Sohn durfte Musik machen und das Studium aufgeben…“.
Die Anregungen aus der Jungenschaft, von den Nerother Wandervögeln und von deren Treffpunkt, der Burg Waldeck im Hunsrück, dazu seine naturbegabte tragfähige Stimme (die er aber auf Anregung seines Vaters auch ausbildete und pflegte) brachten ihn früh zum Singen und zu seinem Instrument, der Gitarre. Die Begegnungen auf den Landstraßen bis in den Orient, Besuche bei Sängern wie Wolf Biermann, Auseinandersetzungen mit dem französischen Chanson, mit den Gedichten von François Villon und ein sehr waches Gespür für den unruhigen Geist der frühen sechziger Jahre führten dazu, dass er bald weit über das eher unverbindliche Singen der Bündischen hinausging, Lieder aus ganz anderen Bereichen sammelte und sie zu Vortragsprogrammen zusammenstellte, die er zunächst im Kreis seiner studentischen und jugendbewegten Freunde, später aber zunehmend in der Öffentlichkeit vortrug. Er entdeckte – etwa zeitgleich mit Belina und (Siegfried) Behrend, Elsbeth Janda und Fritz Nötzold und unterstützt von Max Sprecher – die fast verlorenen Lieder des jiddischen Kulturkreises, er sammelte Lieder der Landstreicher, vertonte Balladen seines „Verwandten im Geiste“ François Villon und forschte nach den Liedern deutscher Demokraten, wie sie vornehmlich in der Zeit um die 1848er Revolution entstanden waren und damals im Volke gesungen wurden.
Über deren Entstehung schrieb Hanno Botsch:
„Die Beschäftigung mit den Liedern der 48er Revolution begann nicht anders als die mit den Liedern seiner anderen Programme: die spontane Begeisterung an einigen zufällig gefundenen Liedern ließ ihn nach immer mehr Material und Liedern suchen. Er verstand es ausgezeichnet, die Revolutionslieder wieder zum Leben zu erwecken. Zum Teil schrieb er, wo die musikalische Überlieferung fehlte, selbst die Melodien, schwungvoll und ganz im revolutionären Geist dieser Texte. Ein unvergessener Eindruck war es, wie er sein Programm an der Berliner Freien Universität im Theatersaal zum ersten Mal einem Publikum vorstellte. Er konnte kein dankbareres Publikum finden als dieses für diese Lieder, hatte die Berliner Studentenschaft doch gerade in diesen Tagen (es war die Zeit kurz nach dem Schah-Besuch) den Zusammenstoß mit einer autoritären Reaktion und brutalen Polizei erfahren müssen. Die wenig bekannten Lieder und die originelle Interpretation rissen das Publikum mit, und es gab bei mehreren Liedern Zwischenbeifall.“
Sein Verständnis vom deutschen Volkslied, dem er sich widmen wollte, drückte Peter Rohland 1966 in einem Interview mit der Zeitschrift „song“ so aus: „Es ist an der Zeit, den Nebel auseinanderzublasen, mit dem die Romantiker und die völkischen Ideologen unsere Volkslieder umgeben haben. Es ist an der Zeit, neben den Liedern von Schwartenhälsen, der armen Jüdin und dem Deserteur auch die Lieder der Revolution von 1848, der Arbeiterkämpfe und die Lieder aus den Konzentrationslagern mit dem Begriff „Deutsches Volkslied“ zu verbinden. Wir müssen den Begriff endlich berichtigen. Deutsche Volkslieder haben weder mit „Volksseele“, noch mit „ewigen Werten“ etwas zu tun. Es sind einfach Lieder, die den ganzen Aspekt menschlichen Lebens umfassen, von der äußersten Sentimentalität bis zur harten oder derben Darstellung.“
An anderer Stelle des Interviews führt Peter Rohland aus: „Von den deutschen Volksliedern interessiert mich am meisten das, was nicht in den Liederbüchern enthalten ist. Ähnlich wie bei den Kundenliedern überliefert uns kein Liederheft die Gesänge und politischen Lieder des Vormärz und der Jahre um 1848. Das ist um so verwunderlicher, als es sich hier doch um die wahrhaft demokratischen Traditionen handelt, auf welche sich unser Staat berufen müsste. Was mich besonders anzog, waren die Frische und Aktualität der Texte (der 48er-Lieder).Hier liegt die Tradition begraben, an der das deutsche engagierte Chanson anknüpfen sollte. Und ich hoffe, durch meine Interpretation dieser Lieder jene Tradition bewusst zu machen.“
In der damals in Deutschland entstehenden Lied- und Liedermacher-Szene stand Peter Rohland an herausragender Stelle; man nannte ihn den „deutschen Pete Seeger“ nach dem berühmten amerikanischen Folk-Sänger. Seine Weggefährten waren dabei Reinhard Mey, Franz Josef Degenhardt, Schobert Schulz, Hein & Oss Kröher und später Gesine Köhler und Hanno Botsch, mit denen er vor allem in seinem Programm der Jiddischen Lieder gemeinsam auftrat. Auf der Burg Waldeck trafen sich viele von ihnen. Der „Studentische Arbeitskreis“ der Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck, unter ihnen mit Peter Rohland vor allem Diethart Kerbs, Rolf Gekeler, Alfred Schumann und Jürgen Kahle, diskutierte die vielen Ideen, die in den Köpfen brodelten. Walter Tetzlaff und Niklas Trüstedt waren irgendwie dabei. Man sprach von einem Liederfest, einem Zentrum für europäische Folklore, einer Folklore-Zeitschrift, von Schallplatten- und Fernseh-Produktionen. Aus diesem Kreis entstanden die Waldeck-Festivals „Chansons Folklore International“, die dann jährlich von 1964 bis 1969 auf der Burg stattfanden. Mit diesen Festivals haben „pitter“ (wie Peter Rohland von seinen Freunden genannt wurde) und seine Freunde dem Phänomen Waldeck eine ganz neue Facette hinzugefügt; ohne ihn wären die ‚Waldeck Festivals’ nie Wirklichkeit geworden.
An den Festivals 1964 und 1965 nahm Peter Rohland noch mit mehreren Konzerten und Workshops teil. Aber im Frühjahr 1966 erkrankte Peter Rohland plötzlich sehr schwer. Er starb am 5. April 1966 an einer Gehirnblutung, gerade 33 Jahre alt geworden. Schon das dritte Waldeck-Festival musste ohne ihn stattfinden.
Helmut König (helm)
Aus: „pitters lieder“, 2014