„Peter Rohland und das politische Lied“
Im Willy-Brandt-Haus in Berlin wurde am 15. September 2011 die Ausstellung „Peter Rohland und das politische Lied“, die von der Peter Rohland Stiftung zusammengestellt wurde, mit einer Vernissage eröffnet. Unter den ca. zweihundert Gästen waren viele ABW-Mitglieder, die eigens angereist waren.
Zur Begrüßung ließ Klaus Wettig (SPD), der für den Freundeskreis des Willy-Brandt-Hauses sprach, Peter Rohlands Bassbariton-Stimme aus dem Off mit dem Lied „Trotz alledem“ erklingen. Sein Dank galt vor allem Helm König dafür, dass er Stimme und Werk des jung verstorbenen Sängers vor dem Vergessen gerettet hat. Den 1848er-Liedern von Peter Rohland, die im Mittelpunkt der Ausstellung standen, wünschte er eine weite Verbreitung. Dass sie zu erreichen ist, schloss er aus dem Verkaufserfolg des neuen Vorwärts-Liederbuchs, das viele traditionelle Arbeiter- und Freiheitslieder enthält und in kurzer Zeit vergriffen war.
Als Hauptredner der Vernissage würdigte Prof. Dr. Holger Böning (Universität Bremen) Peter Rohland (1933 – 1966) als Pionier des politischen Liedes in der Bundesrepublik. Sein Workshop-Konzert am 27. Mai beim Waldeck-Festival 1965, bei dem die Lieder des Vormärz und der 1848er-Revolution erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, nannte er „ein denkwürdiges Konzert“. Denn mit den 48er-Liedern, die in völlige Vergessenheit geraten waren, sei eine neue Epoche des politischen Singens eingeleitet worden.
Peter Rohland habe mit der Erinnerung an die Anfänge der demokratischen Bewegung in Deutschland das Engagement für die Demokratisierung der heutigen Gesellschaft verbunden und die Lieder als Zeugnisse einer wahrhaft demokratischen Tradition und zugleich als brandaktuelle Aufrufe für mehr Demokratie gesungen.
Für Aufsehen sorgte in den 1960er Jahren, dass er in seinen Kommentaren eine Linie von den unterdrückten demokratischen Bewegungen des neunzehnten Jahrhunderts zum Dritten Reich und zur Gegenwart der BRD zog. Dafür wurde er von den Studenten im Theatersaal der FU Berlin gefeiert, von einflussreichen Kreisen der Berliner CDU aber mit Saalverweigerung abgestraft. Für seinen neuen, realistischen Volksliedbegriff hatten die 48er-Lieder eine Schlüsselbedeutung. Nach seinem Tod übernahmen die Liedermacher und Folksänger der 1970/80er Jahre sein Repertoire und seine Argumentation. Lieder wie „O König von Preußen“ oder „Ob wir rote, gelbe Kragen tragen“ wurden ungemein populär und fanden den Weg zu Konzertbühnen, Protestaktionen der AKW-Gegner und zur Friedensbewegung sowie in das gemeinsame Singen.
Auf die Singetradition in der bündische Jugend eingehend, betonte Böning, es sei kein Zufall, dass gerade die Burg Waldeck der Ort war, an dem sich das demokratische politische Lied artikulierte, denn dort habe man sich schon in den 1950er Jahren, als den Deutschen nicht zum Singen zumute war, mit Negrospirituals, Railroadsongs, Rembetika, Skifflemusik, jiddischen Balladen und mit der ganzen Vielfalt der internationalen Folklore und der Chanson-Tradition der zwanziger Jahre beschäftigt. Das musikalisch-politische Potential, das sich bei den weltoffenen jugendbewegten Gruppen der Waldeck angesammelt hatte, habe zu den Waldeckfestivals der 1960er Jahre geführt, die Musikgeschichte geschrieben und dem neuen deutschen Lied Impulse gegeben haben. Böning schloss mit der Aufforderung, die Lieder der 48er-Revolution nicht nur unter historischem Aspekt zu betrachten.
Im Namen der Peter Rohland Stiftung der ABW Burg Waldeck erläuterte Joachim Michael Arbeitsweise und Ziele der Peter Rohland Stiftung. Eigens begrüßt wurden von ihm Ingrid Thörner und Ingrid Piper, die als Vertreter der Familie Rohland-Aßhoff an der Ausstellungseröffnung teilnahmen. Als Freund aus alten Jungenschaftstagen stellte er die ketzerische Frage, was Peter Rohland eigentlich selbst zur Würdigung seines Werks im Willy-Brandt-Haus gesagt hätte, und gab gleich die Antwort: pitter – wie er bei seinen Freunden hieß – hätte vermutlich bescheiden „abgewinkt“ und eine solche Ehrung in das Reich der Utopie verwiesen.
Musikalisch umrahmt wurden die drei Reden von 1848er-Liedern aus Peter Rohlands Repertoire, die von dem Berliner Duo Stefan Körbel & Michael Letz vorgetragen wurden. Das Bürgerlied „Ob wir rote, gelbe Kragen, Helme oder Hüte tragen“, 1845 im Elbinger Bürgerverein entstanden, durfte zum Abschluss vom Publikum mitgesungen werden.
Ein überzeugendes Beispiel, wie die Lieder der 1848er Revolution heute zu neuem Leben erweckt werden können, lieferte das Duo Stefan Körbel & Michael Letz mit ihrer fetzigen Show „forty eight crash“ im zweiten Teil des Abends. Im Mittelpunkt stand die März-Revolution von 1848 in Berlin, bei der die Berliner am 18. März 1848 mit Barrikadenbau und bewaffnetem Widerstand auf die Schüsse des Preußischen Militärs auf friedlich Protestierende reagierten und das Militär zwangen, sich aus der Stadt zurückzuziehen. Mit ständig wechselnden phantasievollen Kostümierungen und bissigen Kommentaren machten Körbel & Letz das historische Geschehen anschaulich, so dass eine packende und gekonnt vorgetragene Revue entstand, die auch äußerst informativ war.
Die Ausstellung „Peter Rohland und dass politische Lied“ im Willy-Brandt-Haus in Berlin ist – nach der Präsentation der Ausstellung im Mainzer Landtag im letzten Jahr – ein bemerkenswerter Erfolg der Peter Rohland Stiftung bei ihren Bemühungen, Peter Rohland posthum die verdiente öffentliche Anerkennung zu verschaffen, die ihm aufgrund seines frühen Todes zu Lebzeiten versagt geblieben ist.
Eckard Holler (Berlin)
P.S.: Die Ausstellung war vom 16. September bis 14. Oktober geöffnet. Sie bestand aus zwei Teilen:
1. Acht Tafeln mit Informationen über Peter Rohland und dessen Liedzyklen, zusammengestellt von der Peter Rohland Stiftung.
2. Sechs Tafeln mit Informationen zu den sechs Waldeck-Festivals von 1964 bis 1969, zusammengestellt vom Verein „Lied und soziale Bewegungen e.V.“ (Berlin).
(aus: KÖPFCHEN 3+4/2011, Seite 28ff.)