„Der unbekannte Krieg“ – Aufführung in Hallen des Hunsrück

1933: SA überfällt die Waldeck Foto: molo

1933: SA überfällt die Waldeck Foto: molo

„Der unbekannte Krieg“

Aufführung in Hallen des Hunsrück

Manchmal wird behauptet, junge Leute hätten die Nase voll von alten Geschichten über Nazizeit, Krieg etc. Am 65. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs war die Stadthalle im Hunsrück-Ort Kirchberg ausverkauft und bis auf den letzten Platz gefüllt. Die jungen Leute waren allerdings überwiegend mit Engagement auf der Bühne aktiv, im Publikum waren Erwachsene in der Mehrheit. Thema des Abends war das nunmehr rund eine Generation zurückliegende Kriegsende am 8. Mai 1945. Am Ende zeigte lang anhaltender Beifall, dass die gegen das Vergessen gerichtete Show niemand unberührt gelassen hatte.

In zwei Etappen wurde an das Ereignis erinnert: zunächst in einer von Hotte Schneider wirkungsvoll inszenierten Theater- und Multimedia-Show, die historisch belegte Vorgänge aus Dorweiler und der Burg Waldeck darstellt. Im Mittelpunkt stehen die dramatische Landung des Dorweilerer Lehrersohns und Jagdfliegers German Moskopp auf einer Obstwiese nahe seinem Heimatort am letzten Kriegstag. Und die brutale Besetzung der Wandervogelburg Waldeck durch SA und HJ zu Beginn der Naziherrschaft im Juni 1933.

Theaterszenen mit jungen Hobbyschauspielern – darunter mit Franz Riemann und Barlo Hillen auch Nachwuchs von Waldeckern – wechseln sich auf der Bühne ab mit der Projektion alter Waldecker Filmaufnahmen und Interview-Ausschnitten mit dem Zeitzeugen German Moskopp, der zwei jungen Frauen von seiner Flucht vor der roten Armee per Flieger aus der Tschechoslowakei in den Hunsrück erzählt. Eine Szene zeigt, wie er dann im Ort von den Opfern erfährt, die der Krieg in seiner Familie und im Dorf gefordert hat. Auch der Tod des dekorierten Weltkrieg-I-Soldaten und Jugendburg-Gründers Robert Oelbermann im KZ Dachau 1941 samt seiner Schilderung der mörderischen Somme-Schlacht von 1916 – „Tod, nichts als Tod“ – ist Teil einer Szene. Viele unter den mehreren hundert Zuschauern werden sich nach der spannenden Darstellung von Ereignissen aus der Hunsrücker Nachbarschaft wohl gefragt haben, wo denn diese Burg Waldeck nun liegt.

Nach einer Pause wurde dann die Requiem-Komposition des jungen Kastellauner Musiklehrers Carsten Braun nach Texten u. a. von Trakl, Apollinaire, Lersch, Wysozkij, Meckel und Kaschnitz aufgeführt. Man hatte den Eindruck, dass alle Kinder und jungen Leute, die im Hunsrück Musik machen und singen können, eng gedrängt auf Bühne versammelt waren, gut zweihundert Personen. Das in fünf Sektionen unterteilte Requiem gab akustisch ein gewaltiges Panorama der weit zurückliegenden Kriegszeit, unterteilt in fünf Sektionen von „Der Krieg wirft sein Schatten voraus“ über „Im Gefecht“ bis zu „Hoffnung, Aussicht, Frieden“.

Unter der Schirmherrschaft von Landtagspräsident Joachim Mertes war eine ganze Garde junger Leute für das Projekt engagiert: Landesmusikjugendleiter Ralf Piroth, das Projektleitungsteam Roland Unger, Christoph Schnaß, Peter Schulz sowie Maik Helfrich und Timo Ludwig für Multimedia und Licht/Ton. Last not least Volker Klein, der das große Orchester und den stimmstarken Chor dirigierte.

Erstaunlich, welche Begabungen eine Landschaft mobilisieren und zu intensiver Kooperation zusammenbringen kann, wenn eine zündende Idee über längere Zeit zielstrebig verfolgt wird. Dem Hunsrück kann zu diesem bundesweit einmaligen Projekt gratuliert werden, an dem außer der Landesmusikjugend der Landesverband der Musikschulen RLP, die Kreismusikjugend und die Kreismusikschule Rhein-Hunsrück, das Musikforum Kastellaun e.V., der Caritasverband Boppard, der Ev. Kirchenkreis Simmern und die IGS Kastellaun aktiv mitwirkten.

Wie das Programm ausweist, wurde das Projekt von einer ganzen Reihe kommunal und kulturell engagierter Einrichtungen gefördert und gesponsert. Die Peter Rohland Stiftung hatte sich schon früh für einen Förderbetrag entschieden, den man als gut angelegt betrachten kann.

molo

Einen Eindruck von der Veranstaltung gewinnt man von einem Trailer unter http://www.youtube.com/watch?v=xQc3Sot6pQc.
Ein Mitschnitt erscheint im Juli als DVD.
Kontakt: www.der-unbekannte-krieg.de, hotte.schneider@web.de.

(aus: KÖPFCHEN 2+3/2010, Seite 23ff.)