Jour Fixe Vorschau: Dynamik und Folgen gewalttätiger Konflikte

Dynamik und Folgen gewalttätiger Konflikte

Vortrag mit aktuellen Bezügen

Roland Eckert wird am

Samstag, 8. März 2008, 20.30 Uhr,

also am Vorabend der Hauptversammlung 2008 (die bekanntlich auf Beschluss der Hauptversammlung 2006 nicht mehr im Herbst, sondern am zweiten Wochenende im März stattfinden wird, siehe Köpfchen 4/06, Seite 13) zum oben genannten Thema sprechen.

Roland Eckert – Foto: molo

In der Konflikt- und Gewaltforschung wird zumeist unterstellt, dass Gewalt über Einstellungen prognostizierbar oder ex post erklärbar sei. Die Analyse der Konfliktverläufe (bei Demonstrationen, auf dem Balkan, im Nahostkonflikt und im Terrorismus) zeigt jedoch, dass nicht nur Einstellungen zu Gewalt führen können, sondern gewalttätige Ereignisse neue Einstellungen erzeugen.

Spektakuläre, insbesondere blutige Ereignisse führen über Empörung, Hoffnung auf Herrschaft und/oder Furcht vor Vernichtung zu neuen Interpretations-Rahmen und produzieren damit neue und zumeist polarisierte soziale Wirklichkeiten, die über wachsende Solidarität einerseits und Feindschaft andererseits den weiteren Prozess bestimmen.

Ereignisse sind schwer prognostizierbar: Manche entstehen „zufällig“, andere werden als Risiko in Kauf genommen, wieder andere werden von einer oder beiden Seiten geplant, um Weltbilder zu befestigen.

Am Beispiel eines Interviews mit gewaltfreien Demonstranten vor und nach den G8-Demos in Rostock und im Umkreis Heiligendamm lässt sich zeigen, dass die „Fisch-im-Wasser“-Strategie (Ho Chi Minh) von Gewalt zur Erzeugung von Kollektivbewusstsein unter der Mitwirkung von Polizeieinheiten immer noch gut funktioniert. Von vier Stufen ist berichtet worden:

  • Vor der Demo: „Gewalt – nicht durch uns!“
  • Entsetzen angesichts der Steinewerfer vom Schwarzen Block
  • Wasserwerfer und Tränengas gegen gewaltfreie Demonstranten führen zu einem Gefühl der Solidarität (auch mit dem Schwarzen Block).
  • Schließlich greift die Vorstellung um sich, vom Schwarzen Block beschützt zu werden, „weil er die Polizei so beschäftigt, dass diese nicht in dem Maße gegen gewaltfreie Blockaden vorgehen konnte, wie sie es wohl sonst getan hätte.“

Eine weitere Eskalation durch neue Ereignisse ist nach den Untersuchungen aus den achtziger Jahren nicht auszuschließen.

Was folgt daraus?

  • Die Kausal-Attribution auf Einstellungen ist zu relativieren.
  • Die fatale Wirkmacht von Ereignissen ist anzuerkennen.
  • Die kritischen Situationen sind in Blick zu nehmen. In ihnen können die Akteure am ehesten die weitere Entwicklung des Konfliktes beeinflussen.
  • Wenn man davon ausgeht, dass Konflikte, auch grundlegende, in einer demokratischen Gesellschaft unvermeidlich und für Kurskorrekturen notwendig sind, aber auch friedlich ausgetragen werden können, muss eine de-eskalative Strategie den Verzicht oder die Verhinderung von Gewaltanwendung ins Zentrum rücken.

Dr. phil. Roland Eckert, em. Professor für Soziologie an der Universität Trier. Schwerpunkte: Jugendliche Cliquen, Fremdenfeindliche und rechtsextreme Gewalt, Konflikt und Konfliktregulierung, Terrorismus. Mitglied u.a. im Beirat des Bündnis für Demokratie und Toleranz – Gegen Extremismus und Gewalt.

Siehe auch seinen Vortrag Xenos, Entimon, Civitas – Wirkungen und Grenzen der Aktionsprogramme aus externer wissenschaftlicher Perspektive, in: Gemeinsam für Demokratie, Dokumentation der Ergebniskonferenz des Aktionsprogramms „Jugend für Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“, Hg. Bundsministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, November 2006. www.aktiv-gegen-hass.de.

GMP/Roland Eckert

(aus: KÖPFCHEN 3/2007, Seite11f.)