Kreativ-Werkstatt „Eigene Lieder schreiben“
Vom 26. 9. bis einschließlich 28. September, eines der schönsten Herbstwochenenden diesen Jahres, war der Hunsrück Schauplatz für ein gut hundertfünfzig Grünhäute und Ritter umfassendes LARP (Life Action Role Playing – dt.: Waschechtes Abenteuer-Rollenspiel). Die ganze Burg Waldeck war besetzt!
Das ganze Gelände? Nein, es gab ja noch die Berliner Hütte – Treff-, Schlaf- und nicht zuletzt Arbeitspunkt für den Workshop „Eigene Lieder schreiben“. Platz für fünfzehn Liedermacher (wortwörtlich, nicht historisch) in spe inklusive den Workshopleitern – Lutz Eichhorn (BDP „Rhythmus global“) und Martin Sommer (ich) – und einem zwei Mann bzw. Frau starken Verpflegungsteam.
Die Ausschreibung richtete sich an Einsteiger, Interessierte und Austausch-Suchende, woraus sich letztlich auch die Teilnehmergruppe zusammensetzte: Ein Sammelsurium unterschiedlicher Voraussetzungen und Ansprüche, von jungen Pfadfindern über langjährig erfahrene Musiker bis hin zu alten Hasen (historisch, nicht wortwörtlich) des Lebens.
Erklärtes Ziel war es, allen Teilnehmern mit viel Anregung und ein wenig Unterstützung zum Schreiben eines, vielleicht sogar ersten, eigenen Liedes an diesem Wochenende zu verhelfen.
Es begann dabei am Freitagabend mit einer geselligen Kennenlern-Runde, wozu auch ein Reim- und Sinnsuchendes Kreativspiel von Lutz beitrug: Dabei bekam man nicht mehr als einen Reim vom Vordermann, hatte genau eine Zeile Platz, eine eigene Assoziation zum vorgegebenen Thema – es war „Unterwegs sein“ – gereimt niederzuschreiben, um den Zettel dann technisch geschickt gefaltet an den Nächsten weiterzuleiten, damit dieser nur wieder den Endreim zu Gesicht bekam. Das Ausrollen der Zettel am Ende brachte die verschiedenen Ansichten, Gedanken und Gefühle ans Tageslicht, die jeder Einzelne mit dem Thema verband: Aufbruch, Heimat, Unbefangenheit, Sehnsucht, Ankunft etc. – jeweils verpackt in eine kurze Zeile. Ganz ähnlich ist auch der Anfang beim Schreiben eines Liedtextes!
Am frühen Samstagmorgen dann traf ich in der Dusche auf einen LARPer und fragte ihn, wen oder was er den spiele. Er meinte, er sei ein NSC (ein Nicht-Spieler-Charakter), welcher die Aufgabe hat, in Gestalt verschiedener Personen – er war am Vorabend erst Bauer und später Priester – die Spieler mit Informationen zu versorgen. Dafür habe er sich am Donnerstag noch bis tief in die Nacht Sätze und Spielweisen überlegt, allerdings wurde er am Freitag dann nicht einmal angesprochen und konnte seine Sätze nicht ein einziges Mal zum Besten geben. Sehr schade!
Nach einer Einführung in die Arbeit an Liedtexten am Samstagvormittag und dem dazugehörigen Überblick zu Songaufbau und -struktur nach dem Mittag – Details zu den beiden Themenbereichen wie auch zum Mittagessen selbst würden diesen Rahmen sprengen – war der Rest des Tages sowie der Sonntagvormittag für die Umsetzung der Lied-Ideen der Teilnehmer bestimmt.
Themenvorgaben gab es dabei nicht. Mitgebrachte Fragmente, spontane Einfälle sowie lange mit sich herumgetragene Ideen waren das Fundament für die entstehenden Lieder. Lutz und ich dienten dabei als stete Ansprechpartner, um bei individuellen Problemen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Was in dieser Form manchen vielleicht an Waldorfschule erinnert, ist tatsächlich wohl der schwerste Teil beim Liederschreiben: Sortieren und vor allem Aussortieren, einzelne Textideen in Verse fassen, Metrik und gegebenenfalls Reimstruktur festlegen, Harmonien und Melodien finden sowie sich immer wieder fragen „Wohin soll es gehen und wie komme ich da hin?!“.
Am Sonntag wurde weiter an den Liedern gearbeitet, was bei manchen bedeutete, ein Reimwort zu ändern oder einen Satz umzustellen, andere tauschten komplette Strophen aus. Ein Teilnehmer verwarf gleich alle bis dahin angestauten Text- und Melodiefragmente, über die er viele Stunden gebrütet hatte. Wie befreit von dem Ballast schrieb er binnen einer guten Stunde sein Lied, welches nichts gemein hatte mit dem, was er sich bis dahin vorgenommen hatte. Kurz: Das ganz gewöhnliche Prozedere eines Liedtexters von sonst zwei bis vier Wochen Arbeit zusammengefasst an einem Sonntagvormittag.
Mehr Zeit war dafür an diesem Workshop-Wochenende leider nicht drin, aber die Abschlussrunde war nicht nur für uns Workshop-Leiter mehr als befriedigend: Die vorgestellten Lieder waren für ihre Entstehungszeit von einem halben Wochenende phantastisch! Sie wurden von Lutz erstmal auf Mini-Disc bzw. Festplatte aufgezeichnet, um eine Bestandsaufnahme von den Liedern in Rohform zu bekommen.
Selbstverständlich müssen diese Kleinodien noch nachgeschliffen und poliert werden, um sie dann bestenfalls im Vergleich mit den Aufnahmen erneut zu präsentieren. Dies ließ unter anderem bei den Teilnehmern ob des erfolgreichen Wochenendes den Wunsch nach einem Folgeworkshop aufkommen.
Bis es soweit ist, bleibt mir nur zu wünschen, dass es den Teilnehmern nicht so wie meinem duschenden LARP-Freund ergeht, wobei ich glaube, für alle an diesem Workshop-Wochenende Anwesenden zumindest das Eine behaupten zu können: Wir sind keine Nicht-Spieler-Charaktere!
Also viel Spaß beim Liederschreiben und -singen, Freunde!
Martin Sommer
Teilnehmer erinnern sich
Ich kam spontan, aus Neugier, wie die Mutter zum Kind. Seit langer Zeit singe ich, auch öffentlich. Eigene Sachen sind mir stets schwer gefallen. Es mangelte nicht an Ideen, aber – Verstopfung!
Es gab hier viele nützliche Informationen zu dem, wie so ein Lied von der Idee bis zum fertigen Lied wird. Ich hätte nicht geglaubt wie viele Ansätze möglich sind. Ich empfand die Dozenten als sehr kompetent in ihrer Sache, aber auch darin, diese Sachen zu vermitteln.
Liebe Leute, ihr habt mir motivierend durch sanftes Hinstoßen, Ratschläge und gleichzeitig genügend Freiraum geholfen, die „Verstopfung“ zu lösen. Ich habe mein zweites Lied seit vielen Jahren vollendet, und mein Koffer ist voll mit Ideen und Entwürfen.
Die Atmosphäre war locker, auch gemeinsames Musizieren kam nicht zu kurz.
Ein schönes und produktives Wochenende!
Pjotr Latalas
Bei uns Pfadfindern spielt das Musizieren und Singen eine große Rolle. So kommt es auch schon einmal vor, dass man sich selbst an einem Lied versucht. Allerdings ohne sich großartige Gedanken über den Aufbau und das Reimschema oder das Abzählen von Silben zu machen. Man achtet einfach auf sein Gefühl, das einem sagt, wie sich etwas anhört.
Als wir von dem Workshop auf der Waldeck erfuhren waren, wir natürlich neugierig. Wir hatten keine großen Vorstellungen – wir waren offen.
Es war ein sehr schönes Wochenende! Besonders das Gleichgewicht eines anfänglichen theoretischen Teils und einer Menge Zeit am Nachmittag, um selbst produktiv zu sein.
Es sah so aus, dass wir uns am Samstagnachmittag auf dem Gelände rund um die Berliner Hütte verteilten. Allein oder auch zu zweit. Jeder hat natürlich seine eigene Methode, an das Schreiben eines Liedes zu gehen.
Wir setzten uns auf eine Decke in die Sonne und machten uns erst einmal Gedanken über den Inhalt. Wovon sollte das Lied handeln? Und hatte man vielleicht irgendeine Zeile im Kopf, die man unbedingt integrieren wollte?!
Und blieb man doch einmal hängen – es bedurfte nur eines kleinen Hilferufs, und schon war ein Retter da; für Melodie oder Text, das was eben benötigt wurde.
Bemerkenswert war die große Unterschiedlichkeit der entstandenen Lieder, bei nur fünfzehn (?) Leuten.
Flo und Maite
(aus: KÖPFCHEN 3+4/2008, Seite 25ff.)