Resümee meines Aufenthalts auf der Waldeck vom 20.09. bis zum 05.10.2021
Ich bin Luna, mittlerweile 22 Jahre alt und mache hauptberuflich Musik. Obwohl dieses Jahr, in
dem meine Band „Luna and the Fathers“ gegründet wurde, ein musikalisch relativ erfolgreiches
war (besonders, wenn man die Umstände der Pandemie berücksichtigt), merkte ich bereits im
Sommer, dass es in Hamburg, wo ich aktuell wohne, schwierig werden würde, sich von dieser
Energie zu erholen. Ich war daher mehr als begeistert, als sich mir durch das WaldeckKultur
Stipendium die Möglichkeit bot, meinem Alltag für einige Wochen zu entfliehen.
Am 20. September kam ich mit einem ziemlich konkreten Plan an. Wir hatten gerade die
letzten Konzerte des Sommers und eine kleine Releasetour hinter uns. Da wir bereits in den
Planungen für das nächste Jahr waren und noch einiges an Material für Gespräche mit
eventuellen Verlagen bzw. Labels fehlte, hatte ich mir vorgenommen, die Wochen auf der Waldeck
für die Fertigstellung einiger Songs und Demos zu nutzen. Die erste Woche lief diesbezüglich
auch recht erfolgreich: Ich schrieb mehrere Texte fertig, baute mir im sogenannten „Baumhaus“
ein kleines Homestudio auf und begann mit dem Festhalten der ersten beiden Demos.
Bereits nach einigen Tagen merkte ich jedoch, dass mich auch andere Fragen zu
beschäftigen schienen. In den letzten Monaten war fast jede Woche dermaßen überfüllt von
Proben, Treffen und Konzerten, dass ich kaum dazu kam, mich mit Themen außerhalb meines
Projekts zu beschäftigen. Als die lang ersehnte Pause während des Stipendiums dann eintrat,
schienen mich all die Dinge, die ich in den vergangenen Monaten beiseite geschoben hatte, mit
beunruhigender Geschwindigkeit einzuholen: Ich begann, mich in einer Schleife der immer
gleichen Fragen aufzuhängen, der ich nun nicht mehr entkommen konnte.
Alle eigentlichen Pläne und Aufgaben wie die Arbeit an neuer Musik konnten dem nicht
mehr standhalten und ich bemerkte, wie ich mich immer mehr von allem um mich herum entfernte
und in mir versank. Vormittags starrte ich oft stundenlang in die Sonne, Nachmittags machte ich
Spaziergänge oder las zum achten Mal Harry Potter, Abends führte ich hin und wieder Gespräche
mit den lang- oder kurzfristigen Bewohner*innen der Lichtung; lernte Teile ihrer Geschichten
kennen und erfuhr wie sie alle, oft unabhängig voneinander, ihren Weg zu diesem Ort gefunden
hatten. Dem Ort, an dem auch ich gerade über mich nachdachte.
Auch wenn ich mir meine Zeit auf der Waldeck sicher anders vorgestellt hatte, bin ich
überzeugt, dass sie den Grundstein für einen Prozess in mir gesetzt hat, der seit langer Zeit
überfällig war und auch jetzt, zwei Monate nach meinem Aufenthalt, noch lange nicht beendet ist.
Sie hat mir nachdrücklich bewusst gemacht, wie wichtig selbst in Zeiten vermeintlichen Erfolges
ist, das eigene Wohlbefinden vor alle anderen Pläne und Wünsche zu stellen und mich in jedem
Fall daran erinnert, wie es Menschen ergeht, die diese emotionale Arbeit aufschieben.
Die Waldeck ist in sehr kurzer Zeit zu einem für mich sehr bedeutenden Ort geworden. Ihre
lange Geschichte und die Menschen, die sie bewohnen, wirken auf mich wie eine Art Konstante in
einer ansonsten unglaublich schnellen Welt. Ich schließe den Text am besten mit einem Songzitat
meines ersten Idols und meiner so-gut-wie-Mutter, Joni Mitchell, ab: „people will tell you where
they’ve gone, they’ll tell you where to go; but till you get there yourself you never really know“.